Man hätte Vedad Ibisevic verkabeln sollen. Seine Ankündigung gegen Philipp Wollscheid hätte alle im Stadion anwesenden Anhänger des FCN vorbereitet auf das, was sich ab der 39. Minute im Max-Morlock-Stadion abspielen sollte. Es tat in vielerlei Hinsicht weh. Es tat weh, dass die Hoffenheimer nicht die Größe besaßen den Ball trotz verletzten Spielers ins Aus zu spielen. Es tat weh, dass Schiedsrichter Drees ein hartes, aber – mit obiger Ausnahme – nicht unfaires Spiel als Schlachtfest bewertete. Es tat aber vor allem weh, die Selbstaufgabe der eigenen Mannschaft zu sehen, die sich gefügig in ihr Schicksal ergab.


Zu keinem Zeitpunkt nach dem Gegentreffer hatte man das Gefühl, dass die Mannschaft das Spiel noch einmal drehen könnte. Ein geordnetes Angriffsspiel fand nicht statt, immer wieder kamen Pässe auf kürzeste Distanz nicht an, immer wieder passten Lauf- und Passwege nicht zusammen. Das alles ist wahrlich kein neues Phänomen in Nürnberg, es war jedoch in dieser Spielzeit noch nie mit derartiger Blutleere gepaart wie an diesem Samstagnachmittag. Es grenzte an einen Offenbarungseid, was die Mannschaft da ablieferte.

 

Es mag schwer sein nach den wilden fünf Minuten vor der Pause mit unfair ergaunertem Gegentor und zumindest fragwürdiger Roter Karte zurück ins Spiel zu finden. Es lässt aber tief ins Mannschaftsgefüge blicken, wenn zu keinem Zeitpunkt in den darauf folgenden 45 Minuten auch nur Ansätze eines Aufbäumens zu erkennen sind. Nicht einmal vermittelten die Spieler das Gefühl eine Trotzreaktion zeigen zu wollen. Kein „Denen zeigen wir's“, sondern lediglich ein „Die Welt ist ungerecht, wir verlieren schon wieder“. Gedanklich schienen die Spieler eine Halbzeit lang sich mit dem ersten Gegentreffer zu beschäftigen und darüber zu vergessen, dass noch eine zweite Halbzeit zu spielen war.

 

So fehlte die nötige Aggressivität, was dazu führte, dass Hoffenheim sein Spiel mit Genuss und technischem Können aufziehen konnte und zu einem zweiten – wenn auch haltbar wirkenden – Treffer kam. Der Rest der Partie war aus Nürnberger Sicht nur schwerlich anzusehen, die Überforderung mit der Situation jederzeit greifbar. Geradezu apathisch spulten die Akteure des FCN ihr Programm ab, Zeichen von Leben gab an diesem Nachmittag nur ein Flitzer ab, der beim Übertölpeln der Sicherheitskräfte – trotz schlechterer körperlicher Voraussetzungen – mehr Geschick und Wendigkeit bewies als die Spieler des Glubbs in den gesamten 90 Minuten.

 

Zu einem führt eine derartige Leistung aber automatisch. Zur Frage, wo nach nur einem Sieg in elf Spielen der Hebel angesetzt werden muss. Es ist spannend und ein Zeichen des hohen Ansehens, das Dieter Hecking genießt, dass die Zweifel an ihm trotz der hohen Misserfolgsquote nur ganz leise im Raum wabern. Dennoch muss er sich fragen, ob die Unfähigkeit der Mannschaft mit Rückschläge umzugehen nicht auch eine Frage der Einstellung und damit Sache des Trainers ist.

 

Auch muss die Frage erlaubt sein, ob das durchaus komplexe System, das Hecking spielen lässt, nicht eine Überforderung für die Spieler darstellt, die sich gedanklich gleichzeitig auch mit dem Abstiegskampf auseinandersetzen müssen. Gerade die Lähmung, die durch das Bewusstsein, ob der schwierigen Lage entsteht, scheint Hecking nicht aus den Köpfen der Spieler entfernen zu können. Dies gepaart mit dem System führt dazu, dass ziemlich unansehnlicher und oft planlos wirkender Fußball das Endprodukt ist.

 

Um diesen Kreislauf des Misserfolgs und der Überforderung zu durchbrechen ist, das hat das Spiel gegen Hoffenheim überdeutlich gezeigt, das Setzen von Reizpunkten dringend erforderlich. Dies geschieht in der Branche üblicherweise durch einen Trainerwechsel, ein Weg, den man nicht fahren muss. Die Entscheidung gegen einen Wechsel in der sportlichen Verantwortung muss dann aber auch eine sein, die bis mindestens Mitte der Rückrunde Gültigkeit hat. Wie wenig sinnvoll ein Wechsel kurz nach der Winterpause ist, hat der letzte Abstieg bewiesen.

 

Die andere Möglichkeit des Reizpunktesetzens liegt in der Verpflichtung mehrerer neuer Spieler, welche die alten eingefahrenen Strukturen aufbrechen und Druck auf einige Platzhirsche, die unter ihren Möglichkeiten spielen, ausüben. Baustellen gibt es genug, sie müssen nur auch bearbeitet werden, sonst tut es am Ende der Saison mehr weh als nach einem angekündigten Ellbogenstoß.

 

 

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