Auf dem Papier war alles klar: Der Letzte, in dieser Saison ohne Auswärtssieg, traf auf den Dritten, in dieser Saison ohne Heimniederlage, der seit 18 Spielen nicht mehr verloren hatte. Da Fußball aber nicht auf Papier, sondern auf Rasen gespielt wird, war nichts so klar, wie es vorher ausgesehen hatte. Stattdessen überraschte das Schlusslicht das Team der letzten Wochen und gewann, nicht unverdient, mit 2:1. Für den Club bedeutet dies nicht nur das Ende der Serie, sondern auch das wahrscheinliche Ende der Hoffnungen auf den direkten Aufstieg. Verspielt wurde dieser aber nicht gegen Duisburg, sondern in der schleppend verlaufenen Hinrunde, gegen Duisburg verlor man einfach nach einem halben Jahr mal wieder ein Spiel.

Kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas erwarten, dann spricht man davon, dass es so sicher sei wie das Amen in der Kirche. Eine Floskel, die landläufig als „so sei es“ oder „es geschehe“ übersetzt wird, auch wenn die eigentliche Bedeutung wesentlich komplexer ist. Und so wie das Spiel des FCN auch wesentlich komplexer ist als es achtzehn Spiele in Folge ohne Niederlage vermuten lassen, so kann man sich einer Sache sicher sein. In der letzten halben Stunde geschieht es immer wieder: Der FCN schießt einTor. In Frankfurt zum dreißigsten, einunddreißigsten und zweiunddreißigsten Mal.

Superlative sind in der Sportberichterstattung gern gesehene Gäste: Das schönste Tor des Jahres, die beste Mannschaft des Jahrzehnts, das brutalste Foul des Jahrhunderts. Man bedient sich gern aus der Floskelwolke und weiß, dass damit jeder weiß, was man sagen will. Wortwörtlich zutreffend sind die Attribuierungen dagegen selten. Doch in der Beschreibung des 1. FC Nürnberg in diesen Wochen kommt man nicht um sie herum: Die Club-Mannschaft mit der besten Moral aller Nürnberger Mannschaften jemals spielt ihr bestes Spiel des Jahres gegen die am meisten gehasste Truppe der Zweiten Liga. Mit 3:1 schickt der Club den Tabellenführer nach Hause und schielt nun selbst auf die Spitze.

Es gibt so Spiele, da verliert man und weiß nicht warum. Die kennt man als Fan des FCN. Spiele, die man gewinnt und man weiß nicht warum, sind dagegen eher selten. Am Freitagabend in Bielefeld erlebten die Getreuen des Clubs einen derartigen Sieg. Eine Stunde lang fragte man sich: Wieso liegt der FCN nicht längst zurück? Eine halbe Stunde später fragte man sich: Wieso liegt der FCN mit vier Toren vorne? Die Antwort ist gar nicht so einfach zu finden. Sie hat ein wenig mit Glück und durchaus einiges mit Können zu tun.

Als Jürgen Klopp einmal eine seiner poetischen Phasen hatte, erfand er den Begriff der Mentalitätsmonster, um seine Mannschaft zu charakterisieren. Spinnt man diesen Begriff weiter, so besteht die Mannschaft des FCN in diesen Tagen aus Einstellungsungeheuern, aus Kampfgorgonen, aus Einsatzgiganten. Jedes noch so große Hindernis wird vom Team mit Leidenschaft und Kampfgeist aus dem Weg geräumt. Am Freitagabend gegen den 1. FC Kaiserslautern bestanden jene Hindernisse aus dem Mammutprogramm von vier Spielen in zwölf Tagen, einer schweren Verletzung von Raphael Schäfer, einem angeschlagenen Ersatzkeeper und einem unnötiger Platzverweis. Auch sie wurden aus dem Weg geräumt – mit letzter Kraft.

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