Einer Mannschaft ihr bestes Saisonspiel zu attestieren, kann ein hinterhältiges Kompliment darstellen. Man kann damit ausdrücken, dass nach einer Serie von schrecklichen Spielen nun endlich ein mittelmäßiges folgte. Wenn man dem 1. FC Nürnberg nach dem 2:0-Heimsieg gegen den HSV also die beste Saisonleistung zuspricht, so mag das der ein oder andere zynisch auslegen; dennoch kann man im Rückblick zu folgender Einschätzung kommen: 2010/11 wurde selten mit so viel Leidenschaft und so viel Mut ein Gegner niedergerungen, selten stand die Abwehr so solide, so sicher und selten wurde der Gegner durch Steilpässe derart in Verlegenheit gebracht.

Damit rechnen, dass am Ende des Spiels eine Lobeshymne auf die Mannschaft gesungen werden darf, konnte man vor dem Spiel sicher nicht. Die Leistungen der Vorwoche mit zwei Remis nach 90 Minuten in Freiburg und Gelsenkirchen waren zwar kämpferisch einwandfrei, doch temporäre Aussetzer in der Defensive waren ebenso Teil des Spiels gewesen wie Phasen völliger geistiger Abwesenheit im Spielaufbau. Kein derartiges Urteil muss über die Glubb-Mannschaft am Samstagnachmittag gefällt werden. Selbst in den ersten 25 Minuten, in denen das gesamte Stadion im Kälteschock zu verharren schien, war die Defensive stets dann zur Stelle, wenn sie benötigt wurde.

Sinnbild für die geistige Schnelligkeit war Timmy Simons‘ Positionsspiel gegen Ruud van Nistelrooy in der 19. Minute. Der Belgier hatte sich bei einer Hereingabe richtig platziert und kam deshalb knapp vor dem Holländer an den Ball. Für den 34-Jährigen war es der erste Höhepunkt seines Agierens, doch sein Arbeitstag war an diesem Punkt keineswegs beendet. Mit seiner besten Saisonleistung führte er das Team in Abwesenheit der Kreativköpfe Ekici und Gündogan an, übernahm beim Elfmeter Verantwortung, erzielte das Führungstor und bereitete das zweite Tor vor.

Derjenige, der jenes zweite Tor auf Simons‘ Vorarbeit hin erzielte, ist der zweite Akteur des FCN, der sich an diesem Nachmittag Bestnoten und die Einstufung „beste Saisonleistung“ verdiente: Almog Cohen. Der Israeli strafte alle Lügen, die immer noch stetig behaupten, dass Lothar Matthäus keine Ahnung vom Fußball hat. Schließlich war es der Herzogenauracher, der Cohen vor der Saison in höchsten Tönen lobte und den Boulevard zu Schlagzeilen wie „Der israelische Gattuso“ hinriss. Gegen die Gäste aus Hamburg konnte man selbst diese Boulevard-Beschreibung nachvollziehen. Der 22-Jährige scheute in seinem dreizehnten Bundesligaspiel keinen Zweikampf, eroberte einige Bälle und verhielt sich geschickt genug, um von Schiedsrichter Welz nicht verwarnt zu werden.

Dasselbe Urteil kann leider nicht über Kapitän Andreas Wolf gefällt werden, der Innenverteidiger rauschte Sekunden vor dem Abpfiff Guerrero an der Mittellinie unnötigerweise in die Beine und holte sich seine fünfte Verwarnung der Saison ab. Somit fehlt der Kapitän am kommenden Samstag gegen Leverkusen. Keine besonders mannschaftsdienliche Leistung, wenn man bedenkt, dass keineswegs sicher ist, dass Per Nilsson in einer Woche bereits wieder fit ist. Es war nicht die einzige Aktion Wolfs, die als wenig mannschaftsdienlich beschrieben werden muss.

In der letzten Minute der ersten Halbzeit führte der 28-Jährige einen Freistoß kurz und mit viel zu wenig Kraft aus, so dass weder Wollscheid noch Judt den Ball erlaufen konnten und stattdessen Ben Hatira in Richtung Nürnberger Tor startete. Hätte der Schiedsrichter nicht in den Konter hinein zur Pause gepfiffen, hätte sich ein gefährlicher Konter entwickeln können. Doch nicht der Fehlpass war das eigentlich Dilemma Wolfs, sondern seine Reaktion auf den Fehlpass. Statt sich zu entschuldigen herrschte der Kapitän seinen jungen Nebenmann Philipp Wollscheid an, obwohl diesen keinerlei Schuld an Wolfs Fehlpass traf. Kein sehr kapitänswürdiges Verhalten.

Besonders unverständlich war Wolfs Verhalten, da Wollscheid zum wiederholten Male im Abwehr- und Stellungsspiel fehlerlos blieb. Es ist bewundernswert, wie der Innenverteidiger Spiel für Spiel seine Länge von 1,94 Metern zu seinem Vorteil einzusetzen vermag und so der Club-Defensive eine Qualität verleiht, die ihr zuvor abging. In der momentanen Form ist der 21-Jährige trotz seiner gerade einmal fünf Bundesligaspiele der beste Nürnberger Innenverteidiger.

Dass während des Spiels mit Mendler und Chandler gleich zwei Club-Spieler auf dem Platz standen, die noch weniger Bundesliga-Erfahrung mitbrachten als Wollscheid, und mit Plattenhardt und Ben Khalifa zwei weitere auf der Bank saßen, zeigt eine der wichtigsten positiven Entwicklungen des FCN in der Saison 2010/11. Es gibt einen zweiten Anzug, der vielleicht nicht so gut sitzt wie der erste, der jedoch auch nicht wie ein Clown-Anzug aussieht. Stattdessen wird er von jungen, talentierten Spielern bevölkert, die – mit Ausnahme Ben Khalifas – in dieser Saison einer Mannschaft des Nachwuchsleistungszentrums entsprungen sind.

Waren in den Vorjahren noch Akteure wie Welnicki, Kaya, Kling, Kammermeyer, Huber oder Weber mehr oder minder Feigenblätter im Kader, die trotz Platz auf dem Mannschaftsfoto oder in den Spielerlisten zu keinerlei Einsätzen kamen, sind aus dem Unterbau nun mit Wollscheid, Plattenhardt, Mendler und Chandler echte Alternativen für die erste Mannschaft gewachsen. Immerhin drei dieser Akteure standen in dieser Saison bereits in der Startelf des FCN. Derjenige, dem diese Ehre am Samstag erstmals zu Teil wurde, war Markus Mendler.

Auch für den 18-Jährigen ließe sich das Urteil „beste Saisonleistung“ anwenden, doch im gerade einmal vierten Bundesligaspiel klänge dies tatsächlich eher nach Ironie als nach Ernsthaftigkeit. Wie schon gegen Gladbach hatte Mendler seine Chance zum ersten Bundesligator. Doch dieses Mal scheiterte der junge Mann nicht am Schiedsrichter, sondern an HSV-Keeper Frank Rost, dem Mendler den Ball in die Arme schoss, nachdem er sich zuvor gut gegen die Hamburger Innenverteidigung durchgesetzt hatte. Eine indirekte Torbeteiligung hatte Mendler dann dennoch.

In der 58. Minute, als Trainer Hecking sich schon entschlossen hatte, ihn auszutauschen, sah er den freien Raum vor Christian Eigler. Eigler nahm Mendlers genau geschlagenen Pass an, zehn Meter später brachte ihn Frank Rost rüde zu Fall. Es gab Elfmeter, Timmy Simons trat an und die beste Saisonleistung des FCN nahm konkrete Formen an.

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