Geduld ist keine Tugend, die man mit dem Fußball in Verbindung bringt. Die öffentliche Debatte geht meist darum, dass das Spiel schnell gemacht werden muss, dem Gegner mit einem frühen Gegentor der Zahn gezogen werden soll. So gesehen war die Herangehensweise des FCN am Samstagnachmittag in Berlin fast etwas untypisch. Ruhig war sie und überlegt, nie in Hektik verfallend, dennoch das Spiel kontrollierend. Es zeigte sich, dass auch ohne Offensivfeuerwerk, ohne ungeduldiges Anrennen, am Ende des Spiels drei Punkte auf dem Konto landen können. Grund dafür war zum einen das aggressive Pressing des Glubb, das die Berliner immer wieder dazu zwang ungeduldig lange Bälle nach vorne zu schlagen. Zum anderen lag es am unbedingten Einsatzwillen von Jens Hegeler, der – im Gegensatz zu den Berliner Verteidigern – seinen ersten Ballbesitz eben nicht aufgab, sondern erlief und nach innen schlug. Tomas Pekhart und der mitgereiste Anhang dankten ihm.


 

Es war in vielerlei Hinsicht ein symptomatischer Spielzug. Der Club war über 90 Minuten die aggressivere, die gedanklich beweglichere Mannschaft. Am Ende wollte die Mannschaft den Sieg einfach mehr als die nervös und eingeschüchtert wirkenden Herthaner. Ob nun die knapp 61.000 Zuschauer und die Erwartungen oder doch die Spielweise des FCN die Berliner eingeschüchtert hatte, das wird in letzter Konsequenz nicht zu beweisen sein. Doch auch für letzteres gibt es durchaus Anhaltspunkte. Gerade in der ersten Viertelstunde wurde der Ball führende Berliner oft noch in der eigenen Hälfte attackiert, ein gezieltes Aufbauspiel war der Hertha damit völlig unmöglich gemacht. Sicherlich führte diese Spielweise auch dazu, dass bereits nach fünfzehn Minuten die Foulstatistik des FCN in die Höhe schnellte – am Ende des Spiels aber standen sogar mehr Fouls für die Berliner als für Nürnberg zu Buche. Doch außer Feulners ungestümes und zurecht mit Gelb geahndetes Einsteigen an der Mittellinie, war keines der Fouls schwerwiegender.

 

Durch diese forsche Herangehensweise erzwang der Club zahllose Ballverluste der Gastgeber. Am Ende hatten die Berliner ein Fehlpassquote von knapp 23%. Die des FCN lag bei knapp 16% und damit deutlich niedriger. Dennoch nutzte die Mannschaft diesen Vorteil nur zu selten aus, verwandelte ihn auch nicht in eine deutlich höhere Ballbesitzquote. Stattdessen trat ein altes Problem zum Vorschein, das sicherlich durch die Abgänge von Ekici und Gündogan noch verstärkt wurde: Es fehlt im Vorwärtsspiel oft die zündende Idee. Es ist durchaus bezeichnend, dass mehr als die Hälfte der 258 Pässe des FCN von den vier Abwehrspielern gespielt wurden. Viele der Pässe waren auf Sicherheit bedacht, diejenigen, die vorwärts zum Einleiten von Angriffen gespielt wurden, waren dann aber mehrfach nicht präzise genug. Zu oft kam der Ball zwar an, konnte dann aber nicht gefährlich weitergegeben werden. Gerade Markus Feulner, in dessen Aufgabenbereich die Rolle des Ballverteilers fallen sollte, konnte diese nur selten passend ausfüllen. Es war daher irgendwie passend, dass das Tor in dem Moment fiel als er das Feld verließ.

 

Passend war auch, dass Markus Mendler zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Platz stand. Zwar durfte der 18-Jährige auch in seinem siebten Bundesligaspiel nicht über die volle Distanz gehen, doch seine Auswechslung in der 90. Minute war eher taktischen Gründen geschuldet. Es ist aber anzunehmen, dass sich Dieter Hecking über den Wechsel ein wenig geärgert hat. Wäre Mendler und nicht dem für ihn eingewechselten Didavi der Ball in der 91. Minute vor die Füße gefallen, der jüngste Mann auf dem Platz hätte den ältesten Berliner wahrscheinlich abgehängt und so das 2:0 erzielt. Doch auch ohne diesen krönenden Abschluss gebührt das größte Lob des Nachmittags dem gebürtigen Allgäuer. Immer wieder strahlte er Gefahr aus, versuchte mit seiner Geschwindigkeit und seinem Antritt Löcher in die Abwehr der Hauptstädter zu reißen und wirkte durch seine Quirligkeit stets belebend. Vier Mal schoss Mendler aufs Tor, so oft wie die gesamte Berliner Mannschaft zusammen.

 

Es machte sich also bezahlt, dass Dieter Hecking trotz der Tatsache, dass der linke Fuß Mendlers stärkerer ist, ihn zusammen mit dem schnellen Chandler auf die rechte Seite beorderte, um dort dem eher langsamen Kobiashvili besondere Probleme zu bereiten. Nach dieser Leistung ist zu hoffen, dass Mendler weitere Chancen bekommt, womöglich – nach einer Genesung Robert Maks – ja sogar auf der linken Seite, wo Christian Eigler kaum ins Spiel fand. Seine Auswechslung gegen Alexander Esswein war daher folgerichtig. Der junge Außenstürmer strahlte in den knapp zwanzig Einsatzminuten deutlich mehr Torgefahr aus als Eigler in den 70 Minuten zuvor, der einzig und allein durch einen kläglichen Versuch seinen Derby-Treffer gegen Thomas Kraft zu wiederholen auffiel. Esswein dagegen suchte das Eins-gegen-Eins und setzte sich auf der linken Angriffsseite damit auch zweimal durch.

 

Auch Jens Hegeler setzte sich im Eins-gegen-Eins durch, sogar noch erfolgreicher als Esswein. Pinolas Einwurf nahm die Leverkusener Leihgabe gekonnt mit der Brust an, drehte sich um Maik Franz, grätschte den Ball nach innen, wo Tomas Pekhart den Ball mit seinem einzigen Torschuss des Abends im Netz versenkte. Der 23-Jährige bewies damit einmal mehr wie wichtig er für den FCN sein kann. Nicht umsonst machte er im vergangenen Jahr 34 Spiele, auch wenn er – wie heute – teilweise von der Bank kam. Gut war Hegelers Vorlage auch für den Konkurrenzkampf im zentralen Mittelfeld, der dadurch weiter angeheizt wird. Schon am Samstag gegen Hannover könnte Hegeler – wie im Pokal – in der Startelf stehen, ansonsten muss er das zeigen, was heute die ganze Mannschaft an den Tag legte: Geduld. Geduld, die am Ende belohnt wurde.

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