Die Debatte vor jedem großen Turnier ist inzwischen ein Ritual geworden. Der neue Ball sei noch undankbarer für die Torhüter, er würde noch mehr flattern, noch weniger berechenbar sein. Normalerweise findet diese Debatte strikt getrennt nach Ausrüsterverträgen statt, doch am Samstagabend hatte wohl auch Manuel Neuer am Ball seines Ausrüsters etwas auszusetzen. Noch vor einigen Jahren wäre ihm der Schuss von Markus Feulner in der 46. Minute einfach in die Arme gefallen. Gestern aber nahm der Ball im entscheidenden Moment eine Richtungsänderung vor. Neuer wurde überrascht, der FCN hatte seinen Helden und das Spiel seinen gerechten Ausgang.

 

Gerecht, weil der FCN zu Beginn für ungefähr fünfzehn Minuten schlief, ein Tor kassierte und in Ehrfurcht erstarrte, danach aber mitspielte und gerade nach der Halbzeit bis zum Platzverweis für Timo Gebhart die bessere und aktivere Mannschaft war. Geschuldet war dies sicherlich zum Teil dem, dass die Gäste einige Stammkräfte für das Spiel in Valencia unter der Woche schonten, als Erklärung allein kann dies aber nicht ausreichen. Vielmehr trifft die nach dem Spiel von Bastian Schweinsteiger losgetretene Debatte den Kern des Spiels.

Allerdings nicht in dem Sinne, wie der Münchner Kapitän für einen Nachmittag es zu verkaufen versuchte. Gegen diese Interpretation spricht allein schon die blanke Statistik von 16 Nürnberger Fouls gegen 26 regelwidrige Münchner Einsätze. Nein, vielmehr zeigen Schweinsteigers Auslassungen, dass die Gäste eine andere Gangart gewohnt sind. So sehr man als Nürnberger Herrn Gräfes Kartengebung in Richtung Tymoshchuk in Zweifel ziehen darf, so sehr ließ der Berliner Referee doch vieles laufen, was andere Schiedsrichter abpfeifen. Er ließ sich eben nicht von jedem am Boden liegenden Münchner zu einem Pfiff hinreißen.

Dies waren die Münchner nicht gewohnt und fanden kein Mittel gegen die zweifellos robuste und aggressive Spielweise des FCN. Immer wieder nahmen die Bayern-Spieler Bälle unsauber an oder spielten sie unsauber weiter; in fast jedem Fall wurden sie dann sofort von einem Nürnberger Spieler attackiert. Denn auffällig war wie gedanklich präsent und konzentriert die Cluberer zur Sache gingen. Exemplarisch deutlich wurde das in der Entstehung zum Ausgleich als Feulner einfach den Fehlpass von Kroos in Richtung Tymoshchuk antizipierte, sich den Ball schnappte und im richtigen Moment dem Ball den richtigen Drall gab.

Überhaupt war der beim Gegner ausgebildete Feulner der auffälligste Nürnberger, was nicht nur an seinem Tor lag – einem Tor, das bedeutet, dass auch nach zehn Toren kein Glubb-Spieler mehr als ein Saisontor erzielt hat. Feulner war immer aggressiv in den Zweikämpfen, niemals jedoch unfair, eroberte viele Bälle, stand oft richtig und spulte zusammen mit seinem Partner im defensiven Mittelfeld die meisten Kilometer ab. Wäre dies Feulners normale Leistung, er wäre mit Sicherheit eine gesetzte Größe im Nürnberger Mittelfeld.

Zumindest in der kommenden Woche ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er einen weiteren Einsatz erhalten wird. Denn nach Balitsch‘ Rückkehr von seiner Sperre ist nun ein anderer Mittelfeldmann gesperrt: Timo Gebhart. Der Ex-Löwe ließ sich im Derby zu einem Ellbogenschlag hinreißen, den andere Schiedsrichter auch mit Rot bewertet hätten. Damit gab der vorher bemühte, wenn auch immer noch zu verspielte, 23-Jährige dem Spiel eine letzte Wendung, so dass zu Spielbeginn und Spielende zwei Phasen hoher Münchner Überlegenheit standen.

Eine Überlegenheit, die aber nicht mehr zum Erfolg führte, da in der zentralen Defensive mit Timm Klose ein Fels in der Brandung stand, der von seinen fünfzehn Defensivzweikämpfen nur einen verlor, der immer richtig stand und hätte er vor dem Gegentor den Ball nicht unsauber geklärt, ein perfektes Spiel abgeliefert hätte. Die Angst, dass Klose in dieser Form bald der nächste ist, der den Verein verlässt, ist leider nicht unbegründet. Immerhin erhält mit Noah Korczowski ein potentieller Ersatz und auch Partner inzwischen Einsatzzeiten, wenn auch dieses Mal als Rechtsverteidiger.

Zu diesem Einsatz wäre der 18-jährige Ex-Schalker wahrscheinlich ohne den Platzverweis gegen Gebhart auch nicht gekommen, doch Dieter Hecking sah, dass er nun defensiv absichern musste. Etwas, das er für die letzten 270 Sekunden des Spiels sogar noch verstärkte, indem er Marvin Plattenhardt für Sebastian Polter, den einzigen Stürmer einwechselte. Es war eine Notwendigkeit, die es mit elf Mann womöglich nicht gegeben hätte. Eine Notwendigkeit, die am Ende aber zu einem verdienten Punktgewinn findet. Ein Punktgewinn, der für den kommenden Samstag optimistischer stimmt. Womöglich trifft dann der elfte unterschiedliche Nürnberger, gerne auch wieder mit Unterstützung des Balls.

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