Wenn es vor drei Monaten nach dem Spiel in Gladbach auf Grund des Spielverlaufs an dieser Stelle noch hieß „so spielt ein Absteiger“, so muss nach dem 3:1-Erfolg in Berlin eindeutig das gegenteilige Urteil getroffen werden: Wer solche Spiele gewinnt, der bleibt drin. Kurioser, verrückter, glücklicher kann man ein Spiel eigentlich kaum gewinnen und doch, der erste Auswärtssieg der Saison des FCN ist geschafft. Gleichzeitig bedeutet der Erfolg auch das erste Verlassen der Abstiegsränge jedweder Sorte seit Ende September. Er bedeutet aber auch noch etwas anderes: Die Mannschaft ist effektiver, kaltschnäuziger, abgezockter denn je.

So sehr man über die Szene des Spiels kurz vor Ablauf der 90 Minuten auch diskutieren kann, überhaupt Potential zur Wichtigkeit hatte sie nur, weil der Club vorher eiskalt vor dem Hertha-Tor war. Zwei Unachtsamkeiten in der Hertha-Hintermannschaft, zwei Tore, so musste das Fazit bis dahin lauten. Erst legte von den Bergh, der schon im Vorjahr mit Düsseldorf gegen den Club einen Horrortag erlebte, den Ball Feulner perfekt auf den Schlappen. Dieser verzog nicht, traf keinen Verteidiger und nicht den Pfosten, alles wahrscheinlichere Varianten vor der Winterpause, sondern ins Netz. Nach dem Seitenwechsel entwischte Daniel Ginczek einmal den Berliner Innverteidigern, der Ball traf den Pfosten, sprang aber nicht ins Aus, sondern zu Drmic, der zuvor Ginczek in Szene gesetzt hatte und durchgelaufen war. Der Schweizer schießt umgehend, trifft einen Berliner, doch der Ball wird nicht aus dem Tor gelenkt, sondern geht trotzdem in die Maschen.

Allein die Beschreibung mit Worten zeigt, wie viel Zufall, wie viel Glück, wie viel Schicksal diesen Toren innewohnte, die dazu führten, dass der FCN in dieser turbulenten Schlussminute führte. Alle drei Konzepte – Zufall, Glück und Schicksal – durften in diesem Moment dann zusammenarbeiten. Zufall, dass Ramos in Schäfer läuft und so – aus Sicht des Assistenten – vom passiven zum aktiven Teilnehmer wird, Glück, dass der Unparteiische an der Linie das – erstens überhaupt und zweitens so – sieht und Schicksal, dass damit der Sieg besiegelt wurde. Die Szene zeigt aber auch die Komplexität einer einzelnen Sequenz im Fußball und welche höchsten Ansprüche da an die Offiziellen  gestellt werden. Es mag Aufgabe des Linienrichters sein, genau dies zu sehen, dass es keineswegs selbstverständlich ist, genau darauf zu achten, hat der FCN allerdings – in einer weitaus einfacheren Situation – erst in Hannover feststellen können.

Die Tatsache, dass Schiedsrichter Weiner dann zum Schluss – nicht zum ersten Mal in einem Spiel mit Club-Beteiligung – einen berechtigten Elfmeter vor dem Marathontor pfiff, rundete das Spiel gelungen ab. Dass Josip Drmic damit sein persönliches Torekonto auf zehn – und damit nur zwei weniger als der Führende der Torschützenliste, Herthas Ramos – stellen  konnte, passte da dann auch noch ins Bild.  Doch darf all das den Blick nicht dafür verstellen, dass es eigentlich kein gutes Spiel des FCN war. Die Abwehr wirkte oft wacklig, dass sie nur durch einen Standard überwunden wurde, war mehr Zufall, Glück, Schicksal, denn echte Qualität. Gegen eine souveräner aufspielende Offensive  wären die Wackler und Fehler der neu formierten Defensive bestraft worden, doch Hertha wollte oder konnte sie nicht so recht ausnutzen.

Und auch das eigene Offensivspiel des FCN war lange nicht so präzise, wie es hätte sein können. Das lag zum wiederholten Male an der unerträglichen Langsamkeit des Seins bei Hiroshi Kiyotake. Die Folge von Ball annehmen, schauen, laufen, Ball etwas zu weit in den Rücken des Mitspielers spielen, ist inzwischen allseits bekannt. Sie trieb auch in Berlin wieder viele Glubberer in Verzweiflung. Doch da Verbeek – verständlicherweise – auf Stammformation und Automatismen setzt, wird Kiyotake auch gegen Bayern München wieder auflaufen, genau wie Adam Hlousek, der zwar kämpf rackert und ackert, aber offensiv zu wenig Akzente setzt. Das wird am kommenden Samstag wohl auch nicht im Vordergrund stehen, sondern das Duell um die Tabellenführung in der Rückrundentabelle. Gegen die beste Mannschaft der Welt braucht es dann wieder Zufall, Glück, Schicksal.

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