Eigentlich war alles bereitet, um endlich mal wieder so richtig schimpfen zu können: Nur 36% Ballbesitz, nur 183 angekommene Pässe, nur 45% der Zweikämpfe gewonnen. Doch eins stand dem großen Motzfest im Wege: Das Ergebnis. Denn trotz all der Zahlenspiele ging der 1. FC Nürnberg am Ende des Spiels als Sieger vom Platz, besiegte einen der Angstgegner, Mainz 05, mit 2:1 und träumt jetzt so ein wenig von Europa. Denn wer selbst Spiele gewinnt, in denen er schlecht ist, den kann doch eigentlich nichts mehr aufhalten.

Mehr als fünfeinhalb Jahre hatte der geneigte Club-Fan darauf warten müssen, am Ostersonntag war es nach 2024 Tagen wieder soweit. Viermal war der FCN in der Bundesliga seitdem Leidtragender gewesen, nun gelang ihm selbst das Kunststück: Er punktete trotz eines Zwei-Tore-Rückstands. Halbzeitstand damals – am 15.9.2007 – wie heute: 0:2. Endstand damals wie heute: 2:2. Herkunft des Gegners damals wie heute: Niedersachsen. Trainer des Gegners damals wie heute: Dieter Hecking. An dieser Stelle sollte mit dem Parallelenziehen allerdings aufgehört werden, denn am Ende der Saison stand damals ein Abstieg, etwas, das heute wohl nicht passieren wird. Auch deshalb nicht, weil die Mannschaft mit dem Remis in Wolfsburg zum achten Mal in Folge unbesiegt blieb und so die grundsolide Rückrunde fortsetzte.

Wie analysiert man ein Spiel, in dem der 1. FC Nürnberg eigentlich zur Halbzeit 0:3 zurückliegen müsste, aber mit 1:0 in Pause geht? Wie ordnet man es dann ein, dass am Ende keine krachende Niederlage, sondern ein triumphaler Sieg steht? Man könnte das Glück in den Vordergrund stellen, das der FCN vor der Pause gehabt hat oder aber die taktische Meisterleistung, die nach der Pause zum klaren Erfolg führte. Wahrscheinlich liegt die Schwerpunktlegung eher in der Persönlichkeit des Betrachters als in der objektiven Wahrheit. Beide Interpretationen sind zulässig, beiden sollte aber die Freude über einen irgendwie dann doch verdienten Sieg innewohnen.

Im Fußball wird (zu) oft und (zu) schnell die Frage nach dem Charakter gestellt. Den Charakter eines Spielers oder auch einer Mannschaft stellen Medien, Fans und Umfeld gerne in Frage, wenn die Ergebnisse nicht so sind, wie sie sein sollten oder wie man sie erwartet hat.  Geht es umgekehrt um Charakterstärke tut sich der geneigte Fußballfan oft schwerer, schließlich ist – nicht erst seit Nick Hornby – der Grundzustand des Anhängers Enttäuschung, bittere Enttäuschung. Ein Gefühl das bestätigt wird, wenn der Torwart der eigenen Mannschaft sich den Ball selbst ins Tor legt. Daran, dass die eigene Mannschaft sich von diesem Schock erholen kann, glaubt man nicht. Tut sie es doch – wie der FCN am Freitag in Augsburg – dann muss man, ob man will oder nicht – von Charakterstärke sprechen.

Sieben Spiele, sechs Mal nicht verloren. Eine derartige Bilanz liest sich angenehm, sieht nach einer Mannschaft aus, die wenig falsch macht und die Zuschauer zufrieden stellt. Sieben Spiele, nur einmal gewonnen hingegen liest sich frustrierend und wenig erträglich. Mit den beiden 1:1-Unentschieden gegen Stuttgart und Freiburg ist der FCN nun aber genau diese Rückrundenmannschaft: Sieben Spiele, ein Sieg, fünf Remis, eine Niederlage. Das ist nicht Fisch, nicht Fleisch und auch kein Gemüse. Nein, das ist „Eichhörnchenfußball“.

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