Die Debatte vor jedem großen Turnier ist inzwischen ein Ritual geworden. Der neue Ball sei noch undankbarer für die Torhüter, er würde noch mehr flattern, noch weniger berechenbar sein. Normalerweise findet diese Debatte strikt getrennt nach Ausrüsterverträgen statt, doch am Samstagabend hatte wohl auch Manuel Neuer am Ball seines Ausrüsters etwas auszusetzen. Noch vor einigen Jahren wäre ihm der Schuss von Markus Feulner in der 46. Minute einfach in die Arme gefallen. Gestern aber nahm der Ball im entscheidenden Moment eine Richtungsänderung vor. Neuer wurde überrascht, der FCN hatte seinen Helden und das Spiel seinen gerechten Ausgang.

Manchmal schreiben sich Spielberichte von selbst, da gibt es ein Thema, einen Erzählfaden, der sich durch Spiel und Spielbericht gleichermaßen zieht. Manchmal aber fehlt den Spielen diese übergeordnete Erzählung und man versucht krampfhaft, eine derartige Erzählung zu basteln. Teilweise gelingt es durch historische Parallelen, teilweise durch Kleinigkeiten, die man erzählerisch erhöht. Für das Spiel am Freitagabend in Mainz gilt dies in besonderem Maße, schließlich war es ein Spiel, das dem vom Vorjahr stark glich und durch eine Kleinigkeit – einen Zweikampf zwischen Mainz‘ Müller und Nürnbergs Plattenhardt – entschieden wurde, sonst aber vor allem Stückwerk zu bieten hatte.

 

Die wichtigste Erkenntnis am Samstagnachmittag schien schnell gefunden: Nach 453 Minuten hat der FCN das gegnerische Tor wiedergefunden. Wichtiger als das pure Ereignis ist jedoch das, was für den Erfolg verantwortlich war. Geschuldet war er nämlich einer Umstrukturierung im Spielaufbau, konsequenter Zweikampfführung und einer starken Defensive. Die Folge dessen war nicht nur der erste Treffer nach über sieben Stunden, sondern auch der erste Sieg nach sechs sieglosen Partien. Besonders wertvoll war dieser Sieg aus zwei Gründen: Er war verdient und zeigte, dass Mannschaft und Trainer lernfähig sind.

Das bayerische Schulsystem sieht nicht nur Noten vor, sondern auch Tendenzen vor. Eine Leistung, die fast schon „sehr gut“ ist, wird mit „+2“ bewertet, eine Arbeit, die gerade noch „ausreichend“ ist, erhält eine „4-“. Die einzige Ausnahme bilden ungenügende Leistungen. Es gibt weder eine „6-“ für völlig Katastrophales, noch eine „+6“ für fast schon Mangelhaftes. Für die viel gescholtene Offensivabteilung des FCN wäre genau letzteres nach dem Spiel auf Schalke angebracht gewesen. Da war vieles schon viel besser als gegen Stuttgart, Freiburg oder Augsburg. Dennoch muss man immer noch konstatieren, dass die „Leistung den Anforderungen nicht entspricht und die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können.“ Die Definition einer Note Sechs.

Die Reaktion der Nordkurve nach dem Spiel war eindeutig. So laut und eindeutig waren die Pfiffe schon lange nicht mehr gewesen, vielleicht sogar unter Dieter Hecking noch nie. Sie kamen, obwohl der FCN nicht zum fünften Mal in Folge ein Spiel verlor. Sie waren jedoch nachvollziehbar, da die Zuschauer über neunzig Minuten nicht nur ein schlechtes Fußballspiel gesehen hatten. Sie hatten auch eine offensiv völlig planlose Mannschaft, die zusätzlich noch defensiv mehrfach eher von der Augsburger Unfähigkeit als vom eigenen Können profitierte. So war der Punkt auch der einzig Positive an einem trüben Nachmittag.

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