Eigentlich war alles bereitet, um endlich mal wieder so richtig schimpfen zu können: Nur 36% Ballbesitz, nur 183 angekommene Pässe, nur 45% der Zweikämpfe gewonnen. Doch eins stand dem großen Motzfest im Wege: Das Ergebnis. Denn trotz all der Zahlenspiele ging der 1. FC Nürnberg am Ende des Spiels als Sieger vom Platz, besiegte einen der Angstgegner, Mainz 05, mit 2:1 und träumt jetzt so ein wenig von Europa. Denn wer selbst Spiele gewinnt, in denen er schlecht ist, den kann doch eigentlich nichts mehr aufhalten.

Schließlich scheint es in diesem kalten Frühling ja auch ein wenig so, als wolle der Fußballgott sich für all die Missetaten, die er dem FCN über die Jahre so angetan hat, zumindest etwas entschuldigen. Gegen Mainz machte sich dies nach etwas weniger als einer halben Stunde erstmals bemerkbar: Javier Pinola rang im Strafraum Nicolai Müller zu Boden; Schiedsrichter Stieler blieb gar keine andere Wahl als auf Elfmeter zu entscheiden. An dieser Stelle hätte sich der Argentinier nicht über Gelb beschweren können, er erhielt die Verwarnung aber nicht.

Zum Elfmeter trat Adam Szalai an, der Clubanhang stellte sich bereits ob der fehlenden Elfmetertöterfähigkeiten von Raphael Schäfer auf einen Mainzer Jubel ein, doch der Ungar traf neben das Tor und es waren die Nürnberger, die jubeln durften. Zum ersten Mal seit 875 Tagen - also seit dem 14. November 2010, als Mario Gomez in München über Schäfers Tor schoss - bedeutete ein Elfmeter gegen den FCN nicht automatisch ein Gegentor.

Die Führung wäre nicht unverdient gewesen, die Mainzer waren im Offensivspiel variabler und agiler, der Club hatte deutliche Schwierigkeiten damit umzugehen, dass die Mainzer nicht wie die meisten anderen Gegner nur mit einer Spitze agierten, sondern mit einem Doppelsturm bestehend aus Müller und Szalai. Die Idee, die Wiesinger und Reutershahn diesem Sturmduo entgegen gestellt hatten, war nachvollziehbar gewesen, auch wenn klar war, dass damit kein Schönheitspreis gewonnen werden würde. Man wollte tief stehen, den Mainzern so die Räume nehmen, in die ihre beiden schnellen Stürmer gerne hineinstoßen. Stattdessen hieß die Devise Mainz kommen lassen und versuchen zu kontern.

Während der eine Teil der Ausrichtung – das tiefe und sichere Stehen – über weite Strecken des Spiels aufging und nur dann in Gefahr geriet, wenn die Mainzer gezielt versuchten Javier Pinola zu hinterlaufen, muss bei dem versuchten Konterspiel der Versuchscharakter betont werden. Meist bestanden die Konterversuche nämlich aus schnellen, hektischen und damit ungenauen Abspielen, manchmal auch aus blinden Sprints in Richtung Mainzer Tor. Ein geordnetes Offensivspiel fand zu keinem Zeitpunkt statt.

Daher war auch klar, dass die beiden Tore nur auf eine einzige Art und Weise fallen konnten: Durch Standards. Bei 1:0 schraubte Hiroshi Kiyotake dank seiner Freistoßflanke auf Per Nilsson den Nürnberger Saisonrekord in Sachen Vorlagen auf elf, beim 2:1 hätte der Japaner dann nur im Eishockey einen Assist bekommen; seine Ecke wurde von Hanno Balitsch an den langen Pfosten verlängert, dort war es erneut Nilsson der den Ball über die Linie bugsierte. Mit fünf Toren ist der Innenverteidiger nun Nürnbergs bester Torschütze.

Das spricht für den Schweden und gegen die Nürnberger Angreifer. An diesem Nachmittag sprach es aber v.a. für die Gefährlichkeit des FCN bei Standards, es war bereits das 15. Tor aus einer Standardsituation, die 45,4% an der Gesamttorzahl, die dies ausmacht, sind Ligaspitze, aber auch ein deutlicher Hinweis dahingehend, wo man im Offensivspiel noch arbeiten muss: Am Tore aus dem Spiel Erzielen.

Dazu bekommen die Nürnberger jetzt noch sechs Mal Gelegenheit und da vier der Gegner von den letzten fünf Tabellenplätzen kommen, darf so ein wenig träumen ja erlaubt sein. Nicht mehr träumen kann seit dieser Woche die SpVgg Fürth, sie wird in der gesamten Bundesligasaison 2012/13 nicht einmal vor dem FCN gestanden haben. Bis sie erneut eine Chance darauf bekommen, könnte es dann auch dauern. Bis dahin wird wahrscheinlich sogar einmal wieder ein Nürnberger Motzfest stattgefunden haben, ganz ohne Ergebnis, das es versaut.

 

 

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