„Das war … ja was war das jetzt eigentlich? Ein Punktgewinn? Ein Punktverlust? Ein gutes Spiel? Ein mittelmäßiges Spiel? Ein schlechtes Spiel? Irgendwie genau fest machen lässt sich das ja nicht. Ausgleich in der 92. Minute … super! Zwei bescheuerte Gegentore dank individueller Fehler … katastrophal! Pässe in der Vorwärtsbewegung … oft beim Gegner. Hannovers Offensive so gut es ging im Griff gehabt … das auch irgendwie. Zu viel Platz gelassen zwischen Angriff und Mittelfeld … ja schon. Insgesamt irgendwie die bessere Mannschaft gewesen … das auch.“ So oder so ähnlich dürften die meisten Club-Anhänger versucht haben das Remis gegen Hannover zu analysieren. Ein richtiger Zugriff auf eine in sich schlüssige, stimmige Betrachtung fällt schwer, es sei denn man bedient sich bei Robert Louis Stevenson, der würde die zwei Facetten des FCN einfach Doktor Nürnberg und Mister Glubb nennen.

Vor zwei Wochen war Nürnbergs Trainer Michael Wiesinger noch scharf kritisiert worden, als er den Auftritt der eigenen Mannschaft als "beherzt" bezeichnet hatte.  Zu wenig hätte seine Truppe geleistet, zu unkonzentriert und zweikampfschwach agiert, um an diesem Freitag in Dortmund das Attribut beherzt verdient zu haben, so der Vorwurf. Zwei Wochen später an einem Samstagnachmittag in Frankfurt jedoch konnte man mit voller Berechtigung von einem "beherzten“ Auftritt der Nürnberger sprechen. Der einzige Wermutstropfen war, dass es nicht zum dreifachen Punktgewinn reichte.

Die Empörung ist – neben der Verzweiflung – einer der Grundzustände des Fußballfans. Man empört sich über falsche Aufstellungen des Trainers, falsche Pässe des Spielers und falsche Entscheidungen des Schiedsrichters. Worüber man sich in der Regel nicht empört sind die Regelverstöße des eigenen Teams, die sind irgendwie rational zu begründen oder werden in einer Art kosmischen Verhandlung gegen all die Missetaten gegen die eigenen Spieler aufgerechnet. Der Sieg am Sonntagnachmittag gegen Borussia Mönchengladbach dürfte dafür ein Paradebeispiel sein. Eine offensichtliche und unsportliche Schwalbe von Mike Frantz gab dem Spiel eine Wendung zum positiven für den FCN. Empört haben sich darüber nur die Gladbacher, für die meisten Nürnberger war es lediglich der umgehende Ausgleich für die Vorwoche.

In der Literatur gibt es ein Genre, das sich „Uchronie“ nennt; es wird gemeinhin der Science-Fiction zugerechnet und behandelt die Frage „Was wäre geschehen, wenn“. Ausgangsszenario ist die reale Welt bis zu einem Punkt, an dem die echte und die erzählte Geschichte auseinandergehen. Dieser Punkt – fachwissenschaftlich Divergenzpunkt genannt – kann minimal sein, wie Zigarren, die nicht aus der Manteltasche fallen, oder aber monumental – Deutschland gewinnt den Ersten Weltkrieg. Dass dieses Genre unter Fußballfans nicht beliebter ist, wundert fast ein wenig, lebt der Anhänger doch eigentlich stets in einer Uchronie, oft nur mit minimalen Divergenzpunkten. So wie am Freitagabend in Dortmund, als sich die 15. Minute als ein solcher Punkt herausstellte.

Die wichtigste, die dominierende Frage am ersten Spieltag des Jahres 2013 war für alle im Stadion vor allem die, wie anders der FCN denn unter dem neuen Trainer-Gespann Michael Wiesinger/Armin Reutershahn aussehen würde. Vergleicht man das Resultat des ersten Spiels unter den neuen Chef-Trainern mit dem letzten Spiel unter dem alten, so könnte man meinen, es habe sich gar nichts verändert. In beiden Fällen stand am Ende ein 1:1 gegen einen Nordclub zu Buche und ebenso war der Club in der Abwehr beide Male eher mit dem Pfosten als mit der eigenen Ordnung im Bunde. Doch es war nicht alles gleich, denn das neue Trainergespann wartete mit einigen Überraschungen auf.

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Ok